Außerordentliches Kassationsgericht

CAS in Turin, Jahr

CAS in Turin, Jahr

CAS in Turin, Jahr

Der Corte d’Assise Straordinaria (Außerordentliches Schoffengericht) in Turin, der durch das Gesetzesdekret Nr. 142 vom 22. April 1945 eingerichtet wurde, hat zwischen dem 8. Juni 1945 und dem 31. Dezember 1947 in über 600 Prozessen 993 Kollaborateure der sogenannten „Italienischen Sozialrepublik“ (RSI) verurteilt.

Den Angeklagten wurde vorgeworfen, den deutschen Besatzer unterstützt und dessen verbrecherische Pläne durch ein dichtes Netz von administrativen, wirtschaftlichen, politischen und militärischen Beziehungen begünstigt zu haben. Vor allem Mitglieder der Republikanischen Nationalgarde (GNR), der sogenannten „Schwarzen Brigaden“ und der RSI-Polizei wurden wegen schwerer Verbrechen (Folter, Deportationen, Morde, Massaker) an der Zivilbevölkerung und an den Partisanen verurteilt.

In dem brisanten italienischen Nachkriegszeit reagierten die Turiner Richter – unter der Leitung von Domenico Riccardo Peretti Griva – auf die Erwartungen der Zivilgesellschaft an die Justiz mit einer von Strenge geprägten Rechtsprechung, die aber vom Römer Kassationsgerichtshof – durch zahlreiche Aufhebungsurteile – und durch Amnestie- und Begnadigungsmaßnahmen (beginnend mit der so genannten Togliatti-Amnestie) erheblich konterkariert wurde. Insbesondere die Togliatti-Amnestie von 1946 führte bis Ende der 1950er Jahre zur Freilassung aller Kollaborateure (einschließlich Mörder und Folterer).

Die vorliegende Untersuchung, die im Rahmen des ISTORETO-Projekts zur Sonder- und Militärjustiz unter der Leitung von Rechtsanwältin Maria Di Massa initiiert wurde, sieht die analytische Einordnung der im Staatsarchiv Turin aufbewahrten Prozessakten des Turiner Kassationsgerichtshofs und der im Strafrechtsfonds der piemontesischen Magistratur von ISTORETO aufbewahrten Urteile (Kassationsgerichtshof und Kassationsgericht) vor, sowie die Ausweitung der Analyse auf die Akten des Militärgerichts Turin im Hinblick auf den sogenannten „militärischen Kollaborationismus“. Die vergleichende Analyse der Prozessquellen ermöglicht es, die komplexen Beziehungen zwischen den deutschen Besatzern und den italienischen Kollaborateuren zu rekonstruieren (bezüglich verschiedener Ebenen der Komplizenschaft, jeweiliger „Räume der Straffreiheit“, sowie der Verwendung nationaler und kultureller Stereotypen innerhalb der Urteilen und der Verteidigungsstrategien). Eine solche Vergleichungsmethode sollte auch  die Widersprüche der Nachkriegsjustiz gegenüber den RSI-Faschisten deutlich machen. Sie war tatsächlich streng in den Gerichtssälen der territorialen Gerichte (insbesondere in Turin), viel milder aber in den Räumen der römischen Spitzen der juristischen und politischen Macht.

Die Akten der Turiner CAS-Prozesse sind auf der ARCHOS-Plattform geladen (die regelmäßig mit dem Fortschritt der Forschung aktualisiert wird) und können frei eingesehen werden.

Die Akten der CAS-Prozesse können im Staatsarchiv von Turin gelesen werden.

Die Urteile des Fonds für Strafurteile der piemontesischen Justiz können bei ISTORETO eingesehen werden.